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Praxis

Klinik und Therapie der Lyme-Borreliose

 

 

Ein Merkblatt

für Patienten und Hausärzte

 

 

 

Der europäische "Holzbock", die Zecke IXODES RICINUS. Gut zu sehen ist der Stechapparat, in der Mitte das Hypostom, eine Art Bohrer, der wie ein "Fischer-Dübel" gespreizt werden kann und so beim Saugen verankert wird. Seitlich die "Schutzhülle".

 

Zecke (Männchen von Ixodes ricinus) am typischen "Ansitzort". Die Zecken warten auf Grashalmen und anderen Pflanzen auf vorbeikommende Tiere und lassen sich abstreifen, indem sie sich mit ihren Haken an den Vorderbeinen einhängen. Sie orientieren sich mit einem speziellen Sinnesorgan an den Vorderbeinen, dem "Hallerschen Organ", welches auf Kohlendioxid und Wärme reagiert, nicht aber auf Geruch.
 

 

 

Die Erreger

 

Erreger der Lyme-Borreliose sind verschiedene Borrelien-Arten. Heute werden Borrelia burgdorferi, Borrelia garinii und Borrelia afzelii als die wichtigsten Erreger unterschieden, es gibt aber weitere Arten wie Borrelia valaisiana und Borrelia spielmannii, die in seltenen Fällen ebenfalls in Frage kommen. Alle Borrelien sind mit dem Syphiliserreger Treponema pallidum  verwandt. Zwischen beiden Krankheiten bestehen zahlreiche Parallelen. Ähnlich wie bei der Syphilis existieren mehrere Krankheitsstadien, die fließend ineinander übergehen können oder auch durch sehr lange "freie" Intervalle getrennt sein können. Diese sekundären Latenzstadien gehören zu den besonderen Charakteristika der Borreliose.

 

Die Lyme-Borreliose wird immer von Zecken übertragen (in Europa von Ixodes ricinus, in Amerika von Ixodes dammini und von Ixodes pacificus, in Ostasien von I. persulcatus), andere Übertragungswege wurden zwar öfter diskutiert (beispielsweise durch den "Wadenstecher", eine in der Nähe von Viehweiden häufige, stechende Fliegenart) sind bisher aber nicht gesichert. Eine sexuelle Übertragung wie bei der Syphilis existiert nicht.

 

Bisher gibt es weder eine wirksame Prophylaxe noch einen Impfstoff. Die Entwicklung eines Impfstoffes ist außerordentlich kompliziert, weil die Borrelien an ihrer Oberfläche zahlreiche unterschiedliche antigene Strukturen tragen und bisher kein Antikörper mit Schutzwirkung beim Menschen bekannt ist. Mehrere Arbeitsgruppen arbeiten an einer Impfstoffentwicklung. Wenn es überhaupt gelingen sollte, einen Impfstoff zu entwickeln, so wird dies sicher noch Jahre dauern. Ein in den USA zeitweise verfügbarer Impfstoff wurde inzwischen wieder vom Markt genommen.

 

Wie kommen Menschen zur Borreliose?

 

Der Mensch spielt im natürlichen Zyklus der Borreliose eigentlich keine Rolle. Die Borrelien leben und vermehren sich in Mäusen, interessanterweise wird die Maus aber dadurch gar nicht krank. Sie erlaubt den Borrelien, sich zu vermehren und bleibt so lebenslang infiziert. Jeder Blutstropfen dieser Mäuse enthält Borrelien. Dadurch können Zecken den Erreger jederzeit wieder aufnehmen und auf immer neue Mäusegenerationen übertragen.

Nur der Umstand, daß Ixodes-Zecken manchmal auch Menschen als Nahrungsquelle betrachten (was sie meist nicht überleben!), führt also zur Infektion eines "Fehlwirts". Für die Borrelien ist der Mensch ebenfalls eine Sackgasse, da das Immunsystem des Menschen es nicht zuläßt, daß sich diese Bakterien jederzeit im Blut aufhalten. Deswegen kann der Erreger vom Menschen aus nicht wieder aufgenommen und weitergegeben werden.

 

Wo kommt die Borreliose vor?

 

Die Lyme-Borreliose ist praktisch weltweit verbreitet, vor allem aber in den eher kühleren Klimazonen der Nordhalbkugel. Temperaturgrenzen wie bei der Viruskrankheit FSME, die nicht über die Gebiete mit weniger als einer mittleren Jahrestemperatur von 8°C hinausgeht, existieren nicht. Borrelien kommen sogar im Eismeer (Spitzbergen und Jan Mayen) vor, wo sie in Seevögeln nachgewiesen wurden, die von einer speziellen Zeckenart, Ixodes uriae, befallen werden.

 

Manche der Krankheitsmanifestationen, wie die Acrodermatitis, sind seit dem letzten Jahrhundert in Europa bekannt. Die ersten Berichte über die Acrodermatitis stammen von Buchwald 1883 und von Touton 1886. Wenig später (1894 bzw 1895) wurden die ersten amerikanischen Fallberichte von Elliot und Bronson veröffentlicht. Bereits in den dreißiger Jahren wurde von Sweitzer auch über in Amerika geborene Patienten mit ACA berichtet. Die Borreliose ist also keineswegs eine neue Krankheit. Da aber die verschiedenartigen Symptome, die im Rahmen einer Borrelien-Infektion auftreten können, nicht als einheitliches Krankheits­bild erkannt wurden, war über Jahrzehnte die Bedeutung der Borreliose unbekannt.

 

Heute wissen wir, daß auch in Mitteleuropa fast alle Gebiete mehr oder minder zum Verbrei­tungsgebiet der Borreliose gehören, wobei aber regio­nale Schwerpunkte bestehen.

 

Wie oft kommt es nach Zeckenstich zur Infektion?

 

Systematische Untersuchungen in Zusammenarbeit mit dem Landesgesundheitsamt Stuttgart haben folgende wesentliche Ergebnisse gehabt:

► 80 % der Zecken, die alle an Menschen abgesammelt wurden, waren Nymphen (das mittlere Entwicklungsstadium). Erwachsene Zecken machen nur 15% aus.

► 15% aller Zecken waren mit Borrelien infiziert. Wenn man Zecken im Freiland sammelt, findet man hauptsächlich die erwachsenen Zecken, dann liegt der Prozentsatz viel höher!

► von den infizierten Zecken hat jede vierte zu einer Infektion geführt.

► also führen insegesamt nur 4% aller Zeckenstiche in unserem Gebiet zu einer Borrelieninfektion. Es wäre also ziemlich unsinnig, nach jedem Zeckenstich Antibiotika zu geben, da man dann 96 von 100 Patienten unnötig behandeln würde!

 

jedes Jahr erkranken bei uns 0,5% der Bevölkerung neu

 

In dem von uns schwerpunktmäßig untersuchten Gebiet "Kraichgau" in Nordbaden sind etwa 17% der Bevölkerung seropositiv. Die meisten dieser seropositiven Patienten haben auch charak­teristische Beschwerden. Durch prospektive Untersuchung des Kollektivs über mehr als zehn Jahre konnten wir zeigen, daß die jährliche Rate von Neuerkrankungen ("Inzidenz") etwa 0,5% der Bevölkerung beträgt. Also werden pro hunderttausend Einwohner etwa 500 pro Jahr neu erkranken.

Die drei Borrelienarten wurden kürzlich aufgrund genetischer Differenzen getrennt. Ob sie, wie von einigen Autoren vermutet, sich in ihrer Krankheitswirkung unterscheiden, bedarf noch der Klärung. Angeblich macht B.garinii mehr Neuroborreliosen, B. afzelii mehr Hautmanifestationen.

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